ENDLICH IN KAMERUN

Manchmal braucht es eine Zeit, bis man realisiert, was gerade im eigenen Leben passiert. Bewusstsein ist da; im Kopf ist es also angekommen. Im Herzen nicht.

Seit Dezember 2018 steht fest, dass ich nach Kamerun gehen werde. In meinem Kopf ist das angekommen. Im Herzen nicht. Ich habe ins neue Jahr gefeiert, Abitur geschrieben, war im Iran, habe die Schule beendet, wurde von der Gemeinde verabschiedet, habe Praktikum gemacht, habe Abiball gefeiert habe die Ausreise geplant, habe Sachen gekauft, war beim Vorbereitungsseminar in Berlin, habe mich mit meinem Vorgaenger ausgetauscht, habe meine Mitfreiwilligen kennengelernt, habe meine Abschiedsfeier geplant, habe gepackt, habe die Abschiedsfeier gefeiert, habe den Koffer geschlossen, bin zum Flughafen gefahren und ins Flugzeug gestiegen. Ich fliege nach Kamerun. Bewusstsein ist da. Im Kopf ist es also angekommen. Im Herzen nicht.
Ich lande in Kamerun, steige aus, betrete den Boden des Landes, spuere die Hitze am ganzen Koerper, lerne meinen Mentor kennen, fahre zu siebt in einem Taxi, werde von Moskitos gestochen, fahre das erste Mal Moto, ziehe in meine Wohnung. Ich bin in Kamerun. Bewusstsein ist da. In meinem Kopf ist es also ankommen. Im Herzen nicht.
Wir machen einen Ausflug. Wir fahren an den Rand der Stadt zu einem kleinen Fischerhafen. Auf dem Rückweg laufen wir durch die sandigen Straßen. Links und rechts von uns sind kleine Läden. In lauten Toenen droehnt aus jedem ein anderer afrikanischer Song. (Anmerkung vom 30.07.2023: Die Musikrichtung habe ich hier fälschlicherweise als "afrikanisch" bezeichnet. Das ist unspezifisch und deshalb falsch.) Die Menschen gucken uns verdutzt an. Eine Frau mit pinken Dreadlocks laeuft uns entgegen. In Kamerun. Bewusstsein ist da. Im Kopf ist es angekommen. Im Herzen auch. Endlich.