WAS FUER EINE AUSSICHT
In unserer Wohnung
kommt mir ein unschoener Gedanke: Wir
wollen das Leben und die Kultur der Menschen in unserem Gastland nachempfinden, sind aber letztlich doch isoliert und privilegiert. Und was sollen wir
auch dagegen machen?
„Mir kommt es so
vor, als waeren wir hier voll im Paradies isoliert“, sagt Margarete als wir
durch den gruenen Garten unseres Seminarhauses von unserem Zimmern in den
Arbeitsraum laufen. Mal sehen, wie es dann in unseren eigenen vier Waenden ist, wenn wir
mitten in der Stadt wohnen.
Heute besichtigen
wir die Wohnung das erste Mal. Wie jeden Morgen haben wir auch heute brav
unsere Malariaprophylaxe eingenommen, die Klimaanlage eingeschaltet und uns mit
Autan eingesprueht. Die Zimmerdamen bekommen ein wenig Trinkgeld. „Mal sehen,
wie es ist, wenn wir mitten in der Stadt wohnen“, denke ich wieder. „Mitten im Leben.“
Ein auffaelliges
gruenes Haus trumpft auf der Montee BP Cite. Die Lage scheint großartig. Wir
stuermen an den Sicherheitsleuten im Hof vorbei. Zwei Stockwerke in die Hoehe. Die Wohnung ist riesig, hell,
klimatisiert und … Kein Schimmel! Wir
koennen es nicht fassen. Jeder hat ein eigenes Badezimmer. Was ein Privileg.
Doch das war noch nicht alles: Es gibt Balcons. Und zwar vier Stueck. Wir
quetschen uns durch die Balcontuer im Wohnbereich und blicken runter. Es wird
still.
„Was fuer eine
Aussicht“, denke ich mir. Wir schauen
weit, die Sicht ist klar. Doch direkt unter uns; Blechdaecher auf niedriger
Hoehe, Ratten, die durch schmale Gaenge zwischen kleinen Huetten rennen. „Wir
schauen einfach mitten auf ein Slum“, spricht Johannes aus. (Anmerkung
vom 30.07.2023: Was ich hier als Slum bezeichne, sind Wohnhäuser. Ich habe
im Laufe meines Freiwilligendienstes ein paar Häuser besuchen können,
die ein ähnliches Erscheinungsbild von außen haben, wie die Häuser des
Viertels vor unserem Haus. Ich habe gesehen, dass es sehr schöne Häuser
sein können, die liebevoll und praktisch eingerichtet sind. Das Viertel,
auf das wir von unserem Haus geblickt haben, habe ich selbst nie
besucht und kann deshalb nicht beurteilen, wie die Bedingungen dort
sind) „Zum Glueck sind die
Viecher da unten“, sagt Zoe. Sie meint es nicht boese. Sie zeigt auf eine
Rattenmutter, die gerade ihren Kindern Essen gibt. Nur mit Muehe kann ich die
Tiere von hier oben erkennen.
Ein paar Tage
spaeter macht sich die Regenzeit in
Douala bemerkbar. Wir sind bereits eingezogen und beobachten, wie die riesigen
Tropfen gegen die Fensterscheibe klatschen. Wenn man herunter schaut, sieht man
ueberschwemmte Straßen. Wir sind beeindruckt und versuchen es zu filmen. Geht
nicht. Zu dunkel und zu weit weg von uns. Was wohl die Menschen in den
Blechhuetten machen? (Anmerkung vom
30.07.2023: Das Wort "Blechhütte" ist falsch und eurozentristisch
verwendet. Ich hätte das Wort "Nachbarhäuser" verwenden sollen.)