WILLKOMMEN BEI DUCA

In meiner Einsatzstelle merke ich, dass man hier nicht auf deutsche Gepflogenheiten bestehen darf. Das, was ich kenne und gelernt habe, ist auch nicht unbedingt universal richtig und gut. Vielleicht ist das Ungewohnte sogar besser.

Ich gehe die ersten Arbeitswoche entspannt an. Das ist auch gut so. Denn es gibt keinen Grund sich verrueckt zu machen. Nachdem ich mehrfach im Supermarkt Verkaeufer schlafend an der Kasse gesehen habe, sodass die Kunden sie antippen muessen, dass sie bezahlen koennen, habe ich mir schon gedacht, dass die ueberengagierte SV-und-Kindergottesdienst-Alida tendenziell eher fehl am Platz sein wird.
Erster Arbeitstag: Als wir nach einer entspannten Motofahrt zu einer komfortablen Uhrzeit im Buero ankommen, fragt Alexis mich zunaechst: „Do you wanna relax a little?“ Arbeitsmoral wird einfach anders interpretiert. Sprich: Ich fuehl mich pudelwohl! (Anmerkung vom 30.07.2023: Ich habe in einem Satz Kamerun paschalisiert und falsch beschrieben und deshalb den Satz entfernt.)
Meine Kollegen sind klasse. „There are just boys down there“, hatte mich meine Chefin, die bisher abgesehen von den Koechinnen die einzige Frau im Team ist, schon vorgewarnt. „So for sure some female support is needed.“, erklärte sie.
Ihr Name ist Mme Moukouri. Sie ist 1976 aus der Schweiz nach Kamerun gekommen. Inzwischen ist sie mit Msr Moukouri verheiratet und leitet erfolgreich das Ausbildungszentrum DUCA – Donner Une Chance a l´Avenir. Sie ist eine sehr starke selbstbewusste Frau, die weiß, was sie will und vor allem Douala kenne: Die Jugendlichen, die bei DUCA eine Ausbildung machen, sind in der Regel motiviert und vor allem dankbar. Gegenseitiger Respekt und viel Humor wuerden hier groß geschrieben. Das habe der Entwicklung von DUCA gut getan. Trotzdem seien auch Vorstellungen geplatzt. In den letzten Jahren habe sie sich eingestehen muessen, dass es der Arbeitsmoral und der Einstellung der Jugendlichen deutlich besser tut, wenn sie ihre Ausbildung mitfinanzieren. „If they don´t have to give money, they claim it as ´only charity´“, sagt sie. Das muesse verhindert werden.
Die Jugendlichen werden durch Kampagnen oder Bekannte auf das Ausbildungszentrum aufmerksam, bewerben sich, geben dabei ihre drei favorisierten Ausbildungsgaenge an und mit den richtigen Voraussetzungen – oder den richtigen Connections – werden sie genommen. Bei DUCA werden sie in einem dreimonatigen Lernprozess, der woechentliche Faecher wie Englisch, Informatik, Persoenlichkeitsentwicklung und Nachhaltigkeit enthaelt, auf ihre Aubildung vorbereitet. Wenn sie sich gut anstellen, bekommen sie ein Stipendium. Beste Voraussetzung für einen guten Start oder Wiedereinstieg ins Berufsleben.
Brot fuer die Welt unterstuetzt das Projekt so intensiv, da es unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ steht. Und das Konzept geht weitestgehend auf. Alexis war vor ein paar Jahren selbst Schueler bei DUCA. Heute steht er mitten im Leben, hat einen tollen angesehenen Job und ernaehrt seine Frau und seine Tochter. Eine richtige Erfolgsgeschichte von DUCA.
Und deshalb wage ich es nicht das – meines Erachtens – reduzierte Arbeitstempo, das ich beobachtet habe, zu verurteilen. Mein Vorgaenger, Phillip, hat mir mal gesagt, er habe manchmal im Buero gesessen und gedacht: Und Brot für die Welt bezahlt das alles.... Und teilweise denke er das immernoch. Aber mit der Zeit lerne man DUCA zu verstehen – so wie Mme es gelernt hat. Man lerne zu erkennen, das doch Abeitsmoral existiere. Zwar anders, aber sie existiert.
Ich gehe also davon aus, dass ich das auch noch verstehen werde. Vielleicht wird mir nie einleuchten, warum die Verkaeuferin im Supermarkt schon wieder schlaeft, wenn ich zahlen moechte. Aber es wird mir mit Sicherheit gelingen zwischen Faulheit und Gelassenheit unterscheiden zu koennen.
„Do you wanna relax a little?“, wird mich Alexis wieder fragen. Da sag ich doch nicht nein, denke ich mir und beiße entspannt in einen Beignet.