DIE SUPERMARKTWASSERTRINKENDE

Die Weißheit ist nicht nur eine Herausforderung fuer Identitaetssuchende. Vor dem Hintergrund, dass unsere Hautfarbe bewundert und verehrt wird, stellen wir uns die Frage, was wir eigentlich mit unserer Praesenz bewirken. Und wie beeinflussen wir die scheinbar verzerrte Wahrnehmung mancher Kameruner?

Chaos dominiert die staubige Rue Equinoxe. Unzaehlige Motofahrer, Verkaeufer von recycleten Kuehlschraenken und Buegeleisen aus Europa am Straßenrand und eine Frau. Sie traegt ein Oberteil mit glitzernder Aufschrift: American life. Witzig.
Jeff hat uns eingeladen. In seinem Sportzentrum bekommen die Karatekinder ihre Guertel verliehen. Wir wollen uns unauffaellig reinschleichen und das Geschehen beobachten. Keine Chance: Wir werden in der ersten Reihe platziert, auf den bequemsten Stuehlen des Raums, direkt neben den wichtigsten Menschen, einem erfolgreichen Boxer und einem Vertreter des Sportministeriums. 
Was Hautfarbe alles kann. "In Alltagsklamotten herumlungernde Jugendliche sind gleichgestellt mit kamerunischen Anzugtraegern", stellt Johannes fest. Den stolzen Eltern nehmen wir die Sicht auf ihre Kinder. Doch keiner hinterfragt: Die Sportler halten kurz inne, als wir eintreten, die Beruehmtheiten schuetteln uns die Hand zur Begrueßung und die Eltern sind wahrscheinlich sogar ein bisschen Stolz, dass ihre Kinder von Weißen besucht werden und schauen brav ueber uns hinweg. 
"Wieso habt ihr keine Security dabei?", "Koennen wir ein Foto zusammen machen?", "Und wieso faehrst du mit deiner Freundin Moto?", ruft einer Noubi zu. "Sie ist weiß! Kauf dir gefaelligst ein Auto." Wuerde er sich umdrehen, wuerde er das junge Maedchen sehen, dass mit seinen vier kleinen Geschwistern auf einem Moto von der Schule nach Hause gefahren wird. "Das ist ja was anderes", wuerde er sagen.
Ekelhaft: Ich bin kein Superstar! Ich will nicht die Trophaee auf deinem Whatsappprofilbild sein! Und nein, Jeff, ich moechte nicht deinen Karateclub aufwerten! Ich kann ihn gar nicht aufwerten! Nichts qualifiziert mich dafuer. Nichts berechtigt mich dazu! Meine Vorfahren haben das Land kolonisiert, Strukturen zerstoert und Menschen getoetet. Meine Regierung hindert durch wirtschaftliche Ausbeutung und gesellschaftliche Abwertung die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins und Autonomie. Nehmt euch euer Selbstwertgefuehl wieder! Alles, was ich bin, bist du auch! Wir haben den gleichen Wert! Wir haben nicht die gleiche Hautfarbe, aber den gleichen Wert! Ich bin nichts besseres! Wieso sollte ich das sein?
Es ist ruhig und besinnlich. Es ist schon dunkel und die einzige Lampe der Huette beleuchtet den einzigen Raum. Ich bin im Heimatdorf von Alexis. Sein kleiner Cousin haelt mir einen Krug hin. Ich schaue rein. Es ist Wasser. Ich lehne ab. Er ist irritiert. "Sie ist weiß", erklaert die große Schwester. "Sie ist eine, die Supermarktwasser trinkt." Verstaendnisvoll nimmt der Junge sein Angebot zurueck. Wow. Denke ich mir. Wow. Ihr Bedürfnis nach dem American Life stickst du selbst mit deinen eigenen Haenden in ihre Hemden. Und dann, sagst du, sollen sie es nicht mehr tragen? Sympatisch.