DER RAUSCH DES UNGLUECKS

Der Verkehr in Douala ist die groeßte Gefahr in meinem Freiwilligendienst. Unregelmaeßigkeiten, Unfaelle und Tote sind Alltag.

Auf der Busfahrt nach Kribi taste ich mich an das neue Album von Max Herre heran. Mein Blick greift nach den letzten Sonnenstunden des Tages im lebendigen Douala. Meine Augen schnueffeln in jeder Ecke, die sie vom Busfenster aus erreichen koennen. Links unten ein Fußgaenger am Straßenrand und ein Mototaxi samt Fahrer und Kunde zwischen den Autos. Sie haben gleichzeitig eine Entscheidung getroffen. Der Motofahrer ueberholt als der Fußgaenger die Straße quert. Als sie sich gegenseitig bewusst werden ist nichts mehr zu machen. Bevor sie zusammenstoßen treffen sich ihre Blicke. Die Haende des Fußgaengers fahren in die Luft. Der Motofahrer versucht Fuß zu fassen. Beides zu spaet.
Ich beobachte den Knall, den ich nicht hoeren kann. Stattdessen Max Herre.
Alle Sinne zucken zusammen.
Meine Hand auf meinen Ohren, meine Augen zu. Ich habe mich erschrocken.
Waehrend ich meinen Ruecken zum Unfall richte, springen die Menschen im Bus auf und lehnen sich ueber mich aus dem Fenster. Sie wollen wissen was passiert ist.
Meine Perspektive wandert nach oben auf ihre Gesichter. Meine Augen belauschen ihre debattierenden Blicke. Ich spuehre die lauten Worte, die einen Schuldigen suchen.
Ich sehe, wie Zoe mich etwas fragt.
Ich stoppe die Musik. Ich entferne meine Kopfhoerer.
"Den hats richtig erwischt", antworte ich. "Wo ist der reingefahren?", moechte sie wissen. "Fußgaenger", sage ich. "Volle Geschwindigkeit."
Ich drehe mich nochmal um. Ich sehe: Ein Verkehrspolizist naehert sich. Ein umgelegtes Moto. Drei Maenner am Boden. Tausende Passenten drum herum. Nur gehoert und nicht gesehen, machen sich alle ein Urteil. Ich hab´s nicht gehoert. Ich habe es gesehen. Urteil nicht moeglich. Urteil unnoetig. Ich frage mich nicht, wer Schuld ist. Ich frage: Wer hat ueberlebt.