WAS FUER EINE BESCHERUNG
Wie erwartet war unser Weihnachtsfest von emotionaler Ambivalenz gepraegt. Stress, Besinnlichkeit, Irritation, Einsicht. Das lag jedoch erst in zweiter Linie an der Entfernung von der Heimat.
"Hey Alida, erstmal frohe Weihnachten. Ich hoffe ihr habt schoen gefeiert", schreibt Sophia. "Ich hoffe, dass du den Tag genießen kannst", schreibt Kati. "Ist in Kamerun denn auch Weihnachtsstimmung?", fragt Anne. Auch Margarete, die ueber Weihnachten in Douala geblieben ist, moechte wissen: "Fuehlt es sich denn bei euch in Kribi wie Weihnachten an?"
Als wir die Nachricht in der Kulisse der Andersartigkeit bekommen, muessen wir kichern. Es ist ein leidendes Kichern. Denn ja, Weihnachtsstimmung ist da. Das Krippenspiel bleibt zwar aus, ich sehe meine Familie nicht und von geschmueckten Tannenbaeumen ist keine Spur. Doch da sind der warme Wind, die sandigen Fueße, die laute frankophone Musik, der Blick ueber den einsamen Strand aufs Meer, das leuchtende Lagerfeuer. Es ist besinnlich, bezaubernd, ja fast heilig. Weihnachtlich. "Frohes Fest" rufen uns die Tischnachbern zu. "Euch ein besseres", antwortet Johannes. Denn unser Apartment ist ausgeraubt worden.
"Hoffentlich hat der Typ uns nicht verarscht", sagte Johannes, als wir uns auf den Weg machten um Krevetten zu essen. Wie letztes Mal, als wir nach Kribi gereist sind, hatten wir am Vormittag bei einem Menschen am Strand Essen fuer 20 Uhr bestellt. Er hatte eine Anzahlung von 5000 CFA gefordert. Fuer dieses Mal versprach er uns sogar ein Lagerfeuer. Es war ja Heilig Abend.
Als wir unten ankamen, fanden wir die Gerichte und das Lagerfeuer vor. Aber nicht fuer uns. Verdutzt schauten uns die Jungs an und fragten bei wem wir reserviert haben. Aber so richtig identifizieren konnten wir ihn nicht. Wir wurden uebers Ohr gehauen. Die 5000 sehen wir bestimmt nicht wieder. Veraergert ueber den Verlust verhandelten wir einen neuen Preis bei den richtigen Krevettenverkaeufern. Zoe und ich machten uns auf den Weg zurueck um das restliche Geld zu holen. Zu diesem Zeitpunkt muss der Raeuber unser Apartment schon wieder verlassen gehabt haben.
"Aeh Alida...", sagte Zoe, als wir vor der Tuer standen. Sie war geoeffnet. Und das Licht war an. Wutentbrannt im Bewusstsein, dass jemand eingebrochen sein musste, betrat ich das Apartment und rief: "Bon soir, c'est qui?" Keine Antwort.
Nachdem der Host unseres Apartments - komplett zugesoffen - von seiner Weihnachtsfeier anhumpelte, nachdem bei der Polizei leider auch niemand im nuechternen Zustand vorzufinden war - es war ja der 24. Dezember! - und nachdem unsere Nachbarn sich letztlich auch auf den Weg zum Feiern gemacht haben, sitzen wir nun - zwei Stunden verspaetet - hier am Lagerfeuer und machen Bescherung. Um 60000 CFA und zwei Kameras aermer.
"Alida, was hast du denn heute fuer einen Zug?", fragt Johannes und zeigt auf mein fast vollstaendig gelehrtes Kadji. Normalerweise schaffe ich nicht mal die Haelfte. "Ich habe Angst, dass es mir weggenommen wird", antworte ich. Nochmal ein leidendes Kichern.
"Dieses Weihnachten war so anders als sonst", schreibt Tante Gabi mir am naechsten Morgen. Jup. Das kann ich bestaetigen. "Das ist der Segen der heiligen Nacht. Er bringt uns alle zusammen. Egal ob jung oder alt, groß oder klein, arm oder reich." Der letzte Satz vom Krippenspiel. Was eine Ironie.